Journal



Februar 2010


Das neue Jahr bringt mit Sicherheit viele Veränderungen und Ereignisse, eine sehr entscheidende schon Anfang Januar: Der Trainerwechsel nach Lyon. Nach den Deutschen Meisterschaften haben wir uns entschieden, den Schritt zu wagen und unseren langjährigen und heimischen Trainingsort zu verlassen und ins Lager von Haupttrainerin Muriel Zazoui zu wechseln. Uns persönlich lag besonders am Herzen, Dortmund "im Guten" den Rücken zu kehren, denn die vielen schönen Jahre hätten keinen anderen Abschied verdient. Wir haben uns in Dortmund immer aufgehoben und unterstützt gefühlt und können den vielen lieben Menschen nur danken für die tolle Zeit. Wenn es so kommen soll, dass ich später selber einmal Kinder habe, die eislaufen möchten, wäre das Landesleistungszentrum in Dortmund sicherlich die 1. Wahl.

Unsere Entscheidung wurde von allen mit Verständnis aufgenommen, sodass sogar eine kleine Abschiedsfeier für den 1.1. noch kurzfristig organisiert wurde. Trainer, Sportler, Eltern und viele Andere nahmen daran teil, und so konnten wir die Gelegenheit nutzen, uns von allen, die uns in Dortmund wichtig sind, zu verabschieden. Besonders berührt hat uns ein kurzer Film, in welchem persönliche Grüße und Wünsche an uns gerichtet wurden. Es ist ein wirklich schönes Gefühl, unsere alte Eishalle trotzdem noch hinter uns stehend zu wissen. Der Abschied fiel wirklich nicht leicht, sodass ein paar Augen nicht ganz trocken geblieben waren.

Der Umzug bedeutet nicht nur eine Trennung von Eishalle und Trainingspartnern, er bedeutet auch einen Abschied von unserer Familie und all den Freunden und Bekannten aus Wuppertal und Sprockhövel.

Eigentlich hatten wir geplant, am Samstag den 2. mit unserem kleinen 94er Peugeot (vollgepackt bis unter die Decke) die 800 km auf uns zu nehmen, aber da unsere zukünftigen Mitbewohner erst am 3. aus Italien wiederkommen wollten, änderten wir noch spontan unser Reisedatum.

An diesem Wochenende herrschte in Deutschland mal wieder Schneechaos, und so dauerte die Fahrt gute 9 Stunden. Mit der Wohnsituation hatten wir wirklich Glück, dass Freunde vor einiger Zeit ebenfalls nach Lyon gezogen waren und noch Mitbewohner suchten. Dieses kam uns natürlich sehr gelegen, da somit das Wohnproblem gelöst war. Wie es der Zufall so möchte, wohnen wir zwar nicht im selben Appartement, jedoch im Nachbarhaus, sodass man sich gewiss nicht aus den Augen verliert. Beide Häuser sind in einem typisch französischen Großstadt-Altbaukomplex eingeschlossen, und für uns ist es noch etwas ungewohnt, nun mitten in der Innenstadt zu wohnen. Unser Elternhaus in Sprockhövel ist sehr ländlich gelegen und in Dortmund wohnten wir zwar Stadtmitte, jedoch direkt am Messegelände, neben dem Stadion, sodass nur bei Veranstaltungen viel los war. Ins Haus kommt man nicht mit einem Schlüssel, sondern sinnvollerweise (falls jemand den Schlüssel verliert) mit Zahlencode, der regelmäßig geändert wird. Die Anonymität in so einem Haus hat gegenüber Dorfgetratsche auch seine Vorteile, trotzdem werden wir sicherlich versuchen, ein paar Nachbarn und andere nicht-eislaufende Lyoner kennen zu lernen. Momentan bildet die Sprache da noch ein kleines nicht zu unterschätzendes Hindernis.

In der Schule hatten wir beide uns neben Englisch für Latein entschieden, sodass wir nun in ein anderes Land ziehen, bei dessen Sprache wir nicht einmal die Wörter im Satz trennen können. In der Eishalle können fast alle perfekt Englisch, nur sind die Franzosen ansonsten eher schwer davon zu überzeugen, ihre (im Allgemeinen nicht schlechten) Englischkenntnisse anzuwenden. Irgendwie kann man sich meistens mit Händen und Füßen erklären, jedoch macht es auch Spaß, sich auf eine neue Sprache einlassen zu können und von Woche zu Woche immer mehr zu verstehen. Beim Lesen haben wir ja wenigstens schon mal drei Möglichkeiten, den Wortstamm abzuleiten, und so ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht so schlecht, mit diesem Ratespiel richtig zu liegen. Leider sind wir beim Hören und Sprechen umso mehr aufgeschmissen. Wir wollen die Gelegenheit nutzen und hier ab Februar einen Intensivsprachkurs machen, um dieses Problem möglichst schnell zu beheben.

Die französische Kultur ist im Vergleich zur asiatischen oder amerikanischen der deutschen sehr nahe, und doch stoßen wir immer wieder auf Kleinigkeiten, die "anders" sind. Vom Bäcker bis zum Altbaugebäude, hier gibt es viel Neues für uns zu entdecken. Aber auch Pünktlichkeit hat hier nicht denselben Stellenwert wie in Deutschland, jedoch können wir solches wohl kaum schon nach 4 Wochen beurteilen. Aber als kleines Beispiel: Die Öffnungszeiten sind manchmal eher nach Lust und Laune des Verkäufers als festgeschrieben.

Momentan fällt es noch leicht, die Unterschiede positiv zu sehen, so sieht man Daniel kaum noch ohne Croissant, Baguette oder Crêpe in der Hand, jedoch gibt es auch Tage mit etwas Heimweh.

Das Eiszentrum hier in Lyon ist hauptsächlich eine Eistanzschule, sodass wir Tänzer das Eis von 6 Uhr in der Früh bis nachmittags um 5 Uhr mit nur 2 Stunden Unterbrechung nutzen können. Hier trainieren neben Isabelle Delobel/Olivier Schoenfelder und Anna Cappellini/Luca LaNotte auch Pernelle Carron mit ihrem britischen Partner Lloyd Jones, die Russin Olga Orlova mit Mathieu Jost, die Briten Louise Walden und Owen Edwards und zahlreiche, auch internationale, Juniorenpaare. Das Trainerteam teilt sich die Eiszeit je nach Bedarf und Kapazität ein, sodass ein vielseitiges und individuelles Training ermöglicht wird.

Die Eishalle ist warm, hell und modern, sodass auch hier einer angenehmen Trainingsatmosphäre nichts entgegensteht. Zudem ist für ausreichendes Zusatz- und Fitnesstraining gesorgt, bei dem jeder mit seinen eigenen "Problemzonen" nicht zu kurz kommt.

Da wir nicht sicher wissen, ob wir zur Weltmeisterschaft fahren dürfen, halten wir unsere Programme fit und konzentrieren uns zudem viel auf Basics und andere grundlegende Kleinigkeiten. Jeder Trainer ist etwas anders und oftmals hilft es sehr, wenn man eigentlich bekannte Sachen noch einmal von jemand anderem auf die eigene Weise erklärt bekommt.

Es tat schon ein bisschen weh, die anderen Paare zu EM fahren zu sehen und diese dann nur vom Fernseher aus verfolgen zu können. Jedoch wird es bei der Olympiade wohl noch schwerer werden. Die anderen Paare haben in der letzen Woche ihre Ausrüstung bekommen und eigentlich wird einem erst jetzt beim Blick auf die Startliste bewusst, wie knapp wir die Teilnahme verpasst haben. In 4 Jahren werden wir hoffentlich unsere Chance nutzen können, aber da man nun nicht weiß, was bis dahin alles passieren wird, kann es sein, dass dieses unsere einzige Chance war, diesen Sportlertraum zu erfüllen.

Wir freuen uns auf die nächste Zeit und hoffen, dass wir nicht nur auf dem Eis viel dazulernen werden.

Viele Grüße,

Carolina und Daniel

 

 




 

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