Journal



Januar 2010


Anfang Dezember fand in Dortmund die NRW-Trophy Eiskunstlauf und Paarlauf statt. Da sich deutlich über 200 Teilnehmer angemeldet hatten, sollte der Wettbewerb schon am Mittwoch beginnen, weshalb wir uns entschlossen, für die gesamte Woche unser Training nach Oberstdorf zu verlegen. Außerdem waren kurzfristig die Kühlmaschinen in Dortmund ausgefallen, weshalb es am Wochenende zuvor kein Eis gab. Somit bekamen wir noch einmal die Chance, ein paar Tage mit dem Bundestrainer zu arbeiten. Zudem konnten wir den Menschenmassen in Dortmund entgehen, denn nach der Tanztrophy war uns die Ansteckungsgefahr bei einer solchen Veranstaltung zum Verhängnis geworden.

Um Kosten zu sparen, nutzten wir die Unterbringungsmöglichkeiten der Bundeswehr und übernachteten anstatt in einem Hotel während der Hauptsaison in Oberstdorf lieber in der Kaserne in Sonthofen. Hierfür nahmen wir sogar die täglichen Kilometer in Kauf, um zur Eisbahn zu gelangen. Da Carolina schon einen Teil ihrer Grundausbildung abschließen konnte, wusste sie über die Verhaltensweisen in einer Kaserne im Gegensatz zu Daniel genau Bescheid und konnte ihn ab und zu in diese einweisen. Im Übrigen ist Carolina (da sie ja schon ein Jahr länger in der Sportfördergruppe ist) zwei Dienstgrade höher gestellt als Daniel, welches hin und wieder zu Belustigung führt.

Im Allgäu war schon der Wintereinbruch gekommen und Oberstdorf sprühte nur so von vorweihnachtlicher Adventsstimmung. Eine etwas sonderbare Tradition der Oberstdorfer ist das "Klausentreiben", eine für Touristen nicht wirklich nachvollziehbare Freude, die sich die Bayern machen, indem sie als Hexen (Bärbeln) und Klausen ab 18 Uhr im Ort herumlaufen und jeden, der ihnen über den Weg läuft, offiziell verdreschen dürfen. Der einzige Weg, eine solche Tracht Prügel zu verhindern, ist es, entweder die Beine in die Hand zu nehmen und wegzurennen oder den Klausen Schnaps anzubieten. Denn dann dürfen sie nicht mehr ihre Ruten schwingen. Um beim Klausen mitmachen zu dürfen (als Täter), muss man im jeweiligen Ort ansässig sein und sich vor dem Abend polizeilich anmelden. Nur dann ist man vor einer Anzeige wegen Körperverletzung geschützt. Die Klausen sind bekannt dafür, nicht zimperlich zu sein und wirklich jedem, auch Frauen und Rentnern, eins auszuwischen.

Eigentlich hatten wir geplant, Mitte November am Wettbewerb "Golden Spin" in Zagreb teilzunehmen, jedoch war dieser vorerst abgesagt worden und zudem wurden wir für den Skate Canada Grand Prix nachnominiert. Jetzt aber sollte der Wettbewerb doch noch am Wochenende vor den Deutschen Meisterschaften stattfinden. Die Teilnahme bedeutete für uns die letzte Möglichkeit, die 145 Punkte für die Olympiaqualifikation zu schaffen und somit nach den Richtlinien, die im Sommer veröffentlicht wurden, und in denen nicht die Rede davon war, dass nur die ersten 3 gelaufenen Wettbewerbe zählen, uns für Olympia zu qualifizieren. Ansonsten wären die Geschwister Beier die Einzigen gewesen, die die Norm geschafft haben und wären damit zu nominieren gewesen. (Hierzu möchten wir noch einmal klarstellen, dass wir eine komplett andere Saisonplanung gehabt hätten, wenn wir im Sommer schon gewusst hätten, dass nur die ersten 3 Wettbewerbe für die Qualifikation relevant sind. Wir wussten genau, dass wir zum Saisonauftakt bei der Nebelhorn-Trophy noch nicht an unsere alten Leistungen würden anknüpfen können und hätten die Anfrage zur Teilnahme unter diesen Umständen bestimmt abgelehnt, zumal uns auch bewusst war, dass die Nebelhorn-Trophy als ISU-Olympiaqualifikationswettbewerb extrem stark besetzt sein würde.)

Weil wir dachten, dass es weniger stressig wäre, mit dem Zug von Dortmund direkt nach Frankfurt zu fahren und dort erst in den Flieger nach Zagreb zu steigen, änderten wir unsere Tickets noch kurzfristig, um nicht erst von Düsseldorf aus nach Frankfurt fliegen zu müssen. Dies wäre uns jedoch fast zum Verhängnis geworden, denn aufgrund eines "Personenschadens" wurde die west-rheinische ICE-Strecke gesperrt und alle Züge wurden umgeleitet. Verspätung: ca. 100 min. Wir kamen in Frankfurt um 20.20 Uhr am Fernbahnhof an und unser Flieger sollte 20.55 Uhr abheben. Letzter Check-in war bis um 20.25 Uhr möglich. Frankfurt ist einer der größten Flughäfen Europas und die Laufstrecken sind beachtlich, zudem muss man schließlich auch noch Gepäck abgeben und durch Sicherheitskontrollen. Zum Glück waren wir an diesem Wochenende nicht komplett vom Pech verfolgt, so dass wir dank eines beachtlichen Sprints, völlig aus der Puste, noch gerade rechtzeitig am Gate eintrafen. Das Ganze hat vor allem unseren Trainer Vitali mitgenommen, bei dem es schon ein paar Jahre her ist, seit er seine letzte Kür gelaufen war. Im Flugzeug ist er sofort brav vor Erschöpfung eingeschlafen.

Der "Golden Spin" ist seit Jahren ein sehr etablierter Wettbewerb, bei dem sicherlich schon viele spätere Top-Läufer ihre Medaillen geholt haben. Allgemein war der Wettbewerb sehr kurz gehalten, da Pflicht und Original an einem Tag gelaufen wurden und die Kür schon am nächsten Tag auf dem Plan stand. Mit unserem Ergebnis von 152,29 Punkten können wir mit Sicherheit sehr zufrieden sein und freuten uns somit auf die Deutschen Meisterschaften.

Sonntagfrüh ging der Flieger von Zagreb schon wieder in Richtung Heimat (zum Glück ohne Zwischenfälle). Zudem sollte am Montag noch Martin Skotnicky kurz bei uns vorbeischauen, nur leider hatte ihn in der Woche zuvor die Grippewelle erwischt, so dass das Training ohne ihn stattfinden musste.

Am Donnerstag fingen die Deutschen Meisterschaften 2010 in Mannheim an. Pflicht- und Originalwettbewerb sollten wieder am selben Tag stattfinden, die Kür 2 Tage später. Leider konnten wir unseren Titel nicht verteidigen, sind aber sehr froh, 3 gute Wettkampfteile gezeigt zu haben.

Im OD war uns leider ein kleiner Wackler in der Schrittpassage unterlaufen, weshalb wir ein niedrigeres Level bekamen und der Abstand nach vorne sich so sehr vergrößerte, dass uns schon vor der Kür bewusst war, kaum noch eine Chance zu haben. Damit war auch in uns das letzte bisschen Hoffnung auf Olympia vergangen. Trotzdem wollten wir weiterkämpfen.

Am 17.12. wurde das erste Drittel der Sportler für die Olympischen Winterspiele nominiert. Jedoch war an diesem Tag die Deutsche Meisterschaft noch nicht beendet. Im Sommer wurde das Nominierungssystem vom Deutschen Olympischen Sportbund und der Deutschen Eislauf-Union entwickelt und auf der Homepage veröffentlicht. Hiernach mussten die Paare mindestens 2x die Norm von 145 Punkten erfüllen; zudem wurden die ISU-Punkte der 3 besten gelaufenen Wettbewerbe gezählt, und im Falle eines Gleichstandes sollte die Deutsche Meisterschaft die Nominierung entscheiden. Dieses System wurde entwickelt, als noch kein Paar für einen Grand Prix nominiert war und schien für die Beteiligten insoweit ein wenig unfair, da man eigentlich auch kleinere Wettbewerbe untereinander nicht vergleichen kann. Ein direkter Vergleich aller Eistanzpaare war nicht möglich.

Jedoch hatte niemand damit gerechnet, dass es für uns so schwer sein würde, die Norm zu erfüllen. Wir wurden zum Grand Prix nach Moskau eingeladen und später auch nach Kanada, weshalb wir nicht an kleineren Wettbewerben teilnehmen konnten, bei denen es sicherlich leichter gewesen wäre. Es gibt eine bestehende ISU-Regel, die dem Sportler eine Teilnahme an anderen Wettbewerben, Schaulaufen oder sonstigen Veranstaltungen für den kompletten Grand-Prix-Zeitraum und eine gewisse Zeit danach untersagt, wenn er eine Einladung zum Grand Prix absagt.

Schon während des Wettbewerbs in Dortmund (NRW-Trophy) erhielten wir die Nachricht, dass nun nur die ersten 3 Wettbewerbe zur Qualifizierung zählen, und dass, wenn der Sportler es nicht schafft, dort die Norm zu erfüllen, er auch keine weitere Chance bekommt. Vor den Deutschen Meisterschaften konnten wir 5 Wettbewerbe bestreiten, zweimal haben wir die geforderten 145 Punkte erlaufen können, jedoch nicht innerhalb der ersten 3 Wettbewerbe. Wenn man mal von der im November erschienenen Klarstellung absieht, haben wir sogar die OWS-Rangliste DM angeführt. Nur leider galt durch die nachträgliche Klarstellung die erste-3-Wettbewerbe-Regel und somit wurden Christina und William Beier, noch bevor wir überhaupt einen Wettbewerb direkt gegeneinander gelaufen waren, für die Olympischen Spiele nominiert. Sicherlich haben die beiden es genauso, wenn nicht sogar ein wenig mehr, verdient, und wir gönnen es ihnen auch (nach dem ganzen Stress vor 4 Jahren, als sie Turin verpassten), einmal ein solches Spektakel miterleben zu dürfen, aber wir fühlten uns nicht unbedingt fair behandelt.

Eines möchten wir jedoch klarstellen: Wir haben zu keinem Zeitpunkt geklagt, noch haben wir das Ergebnis der DM irgendwann angezweifelt.

Mit der Olympiateilnahme hängt auch die Teilnahme an EM und WM zusammen, und nur hier hätten wir die Chance gehabt, noch einmal ein paar wichtige ISU-Weltranglistepunkte zu sammeln. Mit einer ähnlichen Platzierung wie im letzten Jahr könnten wir in der Weltrangliste zu den Top 24 aufrücken, wodurch Deutschland im nächsten Jahr einen Grand-Prix-Startplatz sicher hätte. Jedoch kann man in einer Saison nur einmal bei EM, WM oder Olympia punkten, so dass die Punkte von den anderen bestrittenen Wettkämpfen verfallen, man punktet also nicht doppelt oder dreifach, wenn man bei EM/WM oder sogar Olympia teilnimmt. Die Grand Prixs im nächsten Jahr sind wiederum extrem wichtig für die folgenden internationalen Meisterschaften.

Da diese Entscheidung zur Teilnahme für uns so extrem wichtig war, ließen wir nach Zagreb, also vor den Deutschen Meisterschaften, einen Brief verfassen, um eine Nominierung vor der DM zu verschieben. Eine zweite Nominierungsrunde ist für Mitte Januar geplant, und es macht keinen Unterschied, wann man nominiert wird. Wir hätten es nur fair gefunden, die DM abzuwarten. Leider war dies für viele der Anlass zu glauben, dass wir nun unseren Verband bzw. den DOSB verklagen würden, wobei wir der Presse gegenüber in keinem Fall etwas Derartiges erwähnt haben. So fraglich für uns die Nominierungsrichtlinien und die Rechtskräftigkeit des Novemberschreibens auch sein mögen, werden wir mit Sicherheit nicht vor Gericht ziehen. Aber wir sind ein wenig enttäuscht, wie viele Menschen sich uns gegenüber plötzlich ablehnend verhalten haben. Jeder, der die Nominierungskriterien einmal genau gelesen hat und fair darüber nachdenkt, was in den letzten Monaten passiert ist, wird verstehen können, dass wir es nicht einfach so hinnehmen konnten, dass uns jegliche Chance genommen wurde.

Mit Sicherheit konnten wir spüren, wie schnell es nach unseren Erfolgen im vergangenen Jahr auch wieder bergab gehen kann, aber weil wir im nächsten Jahr an die vergangene Saison anknüpfen wollen und sicherlich auch für die Zukunft noch extrem viel zu lernen haben, entschlossen wir uns, zum neuen Jahr in die Trainingsgruppe von Lyon zu wechseln und dort die Saison zu beenden. Wir möchten uns hier einfach neu motivieren, um so noch stärker in die neue Saison starten zu können. Wir wissen nicht, ob wir uns das Ganze überhaupt langfristig leisten können, aber wir hoffen, auch hier einen Weg zu finden.

Weihnachten verbrachten wir mit unserer Familie und, außer bei einem kleinen Schaulaufen in der Nähe des Reiterhofes unserer Mutter auf Rügen, erlaubten wir uns, ein paar Tage die Schlittschuhe aus den Augen zu lassen und von dem ganzen Stress, der im Vorfeld entstanden war, etwas Abstand zu gewinnen. Noch vor Silvester räumten wir unsere Zimmer in Dortmund, um uns auf den Umzug direkt im neuen Jahr vorzubereiten.

Auch wenn es sich vielleicht ein wenig kitschig anhört, mussten wir in den letzten Wochen lernen, dass das Leben kein Hollywoodfilm ist, denn so sehr wir auch auf das Happy End gehofft und gearbeitet hatten, mussten wir lernen, dass es nicht immer ein passendes Drehbuch gibt.

Viele Grüße,

Carolina und Daniel

 

 




 

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