Journal



Juni 2010


Am 3. Mai ging unsere Grundausbildung der Bundeswehr los, und damit wir noch einiges Organisatorisches erledigen konnten, fuhren wir schon eine Woche vorher Richtung NRW. Es ist manchmal doch etwas kompliziert, wenn man nirgendwo in Deutschland eine feste Adresse hat. Momentan haben wir einen Teil unserer Sachen in Wuppertal bei unserem Vater, einen anderen Teil haben wir in Lyon, den wahrscheinlich größten Teil haben wir bei uns im Auto. Da wir diese Woche jedoch in Dortmund trainieren wollten, standen wir zunächst vor einem kleinen Problem: Unsere Zimmer in Dortmund sind schon wieder vergeben worden, aber auch hier haben wir noch ein paar Dinge, und immer zwischen unserem Elternhaus in Sprockhövel (bei Wuppertal) bis nach Dortmund pendeln ist etwas mühsam. Immerhin war genau das der entscheidende Grund, weshalb wir uns vor nun 7 Jahren entschieden hatten, nach Dortmund zu ziehen. Liebenswerterweise bekamen wir mehrere Angebote von Eislauffreunden in Dortmund, dort zu übernachten, und somit fand jeder doch noch eine nette Schlafmöglichkeit.

Herr Skotnicky kam und schaute sich unsere neu erstellte Kür an, und neben unendlich vielen Kleinigkeiten (Steuererklärung, Banksachen, sportmedizinische Jahresuntersuchung, Bundeswehr in Köln, etc…) konnten wir endlich einmal wieder unsere Familie, Freunde und Bekannten besuchen. Schon in der Eishalle wurden wir herzlich aufgenommen und auch wenn es ein bisschen traurig macht, ist es irgendwie ein wirklich schönes Gefühl, wenn man weiß, dass man vermisst wurde.

Montag früh um 4 fuhren wir dann mal wieder mit einem bis zum Anschlag vollgestopften Auto (und nur einem Außenspiegel, weil irgendjemand ihn bereits nachts zum zweiten Mal innerhalb einer Woche vom Auto abgerissen hat) nach Dillingen an der Donau. Beim ersten Antreten der Bundeswehr muss man im Dienstanzug anreisen und weil wir keine Lust hatte, diesen die gesamte Fahrt über zu tragen, hielten wir kurz vor Ankunft hinter einem Gebüsch auf einen Acker und zogen uns, wie wir dachten, etwas versteckt um. Erst später bemerkten wir, dass genau dieser Punkt auf dem Acker von einer anderen Seite einen perfekten Blick auf uns bot und jedes vorbeifahrende Auto uns gesehen haben musste. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch und einem Barett, das wie eine Beckermütze aussah, fuhren wir in die Kaserne. Carolina hatte ja bereits im letzten Jahr die Hälfte einer Grundausbildung absolviert und wusste daher genau, wie sehr es auf das Wohlwollen und die Einstellung der Ausbilder und Vorgesetzten ankommt. Erleichtert stellte sie fest, dass viele ihrer alten Ausbilder immer noch dort arbeiteten und sie auch noch kanten. Zudem haben wir wirklich Glück und verstehen uns super mit den anderen Sportlern. Für die nächsten 2 Monate sollten wir nun fast ausschließlich mit anderen Leistungssportlern der Sportfördergruppe die Ausbildung absolvieren. Der größte Teil unseres Zuges hatte schon Anfang April begonnen und war somit auch nur noch die kommenden 4 Wochen mit uns zusammen. Insgesamt sind wir im ersten Monat 10 Frauen und 32 Männer gewesen, wobei sich ein Eishockeyspieler schon sehr früh beim Fußballspielen einen Bänderriss zugezogen hat und vielleicht genau wie Carolina ein Jahr später noch mal anfangen muss. In unserem B- (wie Bravo) Teil des Zuges (alle, die ab Mai angefangen haben) sind wir zusammen mit Eishockeyspielern aus den verschiedensten Vereinen in Deutschland und einer Eishockeyspielerin. Zudem werden für unseren 2. Monat noch drei eignungsübende Damen dazukommen, da diese keine verkürzte Grundausbildung absolvieren und somit 3 Monate antreten müssen. Die Bundeswehr integriert Frauen, die sich verpflichtet haben, oft mit in den Sportlerzug um zu verhindern, dass diese als einzige Damen irgendwo zwischen 35 Männern sind.

Im letzten Jahr war Carolina zusammen mit Peter Liebers und Philipp Tischendorf, in diesem Jahr sind wir zusammen mit Maylin Hausch. Sie hatte allerdings auch schon im April begonnen und wird somit vor uns fertig sein.

Daniel war die ersten Tage noch relativ nervös, denn laut den Geschichten, die Carolina ihm vom letzten Jahr erzählt hatte, versprach dies alles andere als eine gemütliche Grundausbildung zu werden. Des Weiteren hatte er sich extra die Haare geschnitten (ca. 2 cm kurz)um morgens schneller zu sein, da er hier schon zweimal verwarnt wurde. Am Anfang war Daniel einmal sogar so nervös, dass er beim Lernen des militärischen Grußes aus dem Prüfungsraum geschickt wurde, um sich draußen zu beruhigen. Zusätzlich waren wir beide super gespannt: Seit gut 11 Jahren stehen wir sechsmal die Woche gemeinsam auf dem Eis und dies sollte die erste Unterbrechung werden, die länger als 4 Wochen dauerte.

Der Tagesablauf ist relativ simpel. Morgens um 5 Uhr wird man "freundlich" durch ein lautes Rufen geweckt und muss antreten zur Vollzähligkeitsüberprüfung, denn immerhin könnte es sein, dass sich irgendwer in der Nacht rausgeschlichen hat um zu feiern oder Ähnliches und es nicht mehr pünktlich wieder hinein geschafft hat. Zudem kann sich dabei jeder krank melden, um am Vormittag zum Arzt zu dürfen. Leider wurde der Morgensport für uns abgeschafft, denn immerhin kann man von einem Skispringer nicht erwarten, 30 Liegestütze zu machen, und Muskelmasse aufbauen darf er aus leistungstechnischen Gründen nicht. Die Ausbilder werden speziell eingewiesen, um unseren Zug zu leiten und sind gebeten, nichts mit uns zu machen, was unsere körperliche Gesundheit wesentlich gefährden könnte. Nach dem Waschen geht es um 6 Uhr gemeinsam zum Frühstück, um anschließend mit der Ausbildung zu beginnen. Neben vielem militärischen Unterricht, wie z.B. Karte und Kompass lesen, um sich im Gelände orientieren zu können, und praktischen Übungen absolvieren wir eine Woche lang eine Sanitätsausbildung, die uns die nötigen Qualifikationen zum Ersthelfer beim Unfall gibt. Ob Verbrennungswunden, Brüche oder Schlaganfall – wir lernen, richtig zu handeln. Zusätzlich legt die Bundeswehr viel Wert auf die politische Bildung ihrer Soldaten, so dass wir bereits spannende Diskussionen übers Grundgesetz und andere Gesellschaftswerte und -normen hatten. Des Weiteren stand schon im ersten Monat ein Sporttest auf dem Programm, von dem wir nicht ohne Stolz berichten können, die beiden Besten im Bravo-Teil des Zuges gewesen zu sein.

Mittagessen gibt es um ca. 11 Uhr und Abendessen schon um 16.30 Uhr. Anschließend ist Dienstunterbrechung bis um 21 Uhr, um dann wieder die Vollzähligkeit zu überprüfen und anschließend die Stuben zu reinigen. Die größte Sorge, mit der wir die Grundausbildung gestartet hatten, war die Verletzungsgefahr, denn immerhin lernen wir teilweise komplett neue Bewegungsabläufe, womit das allgemeine Risiko stark steigt. Im letzten Jahr hatte sich Peter Liebers einen Mittelfußknochenbruch zugezogen und auch Daniel Wende kam verletzt aus seiner Grundausbildung wieder, jedoch hatten sich beide ihre Verletzung beim Fußballspielen in der Dienstunterbrechung zugezogen.

Dass sich bei einem so durchgeplanten und mit vielen kleinen Pausen versehenen Tagesablauf viel Energie anstaut, ist verständlich. Während Carolina diese nutzt, um fleißig im Stubenordner zu lernen (ihr Spitzname hier ist Streber), lungert Daniel lieber auf dem Gang herum, welches schon zu der einen oder anderen Verwarnung geführt hat.

An den Wochenenden bleibt Carolina oft in der Kaserne, da sie die Fahrten selber bezahlen muss und sich die Kosten ganz schön ordentlich aufsummieren würden. Daniel leistet gerade seinen Grundwehrdienst und kann somit die Deutsche Bahn kostenfrei für Heimfahrten nutzen. Aber da meist noch andere Sportler in der Kaserne bleiben, verfliegt die Zeit noch schneller als während der Dienstzeit sowieso schon. Natürlich freuen wir uns schon wieder sehr, aufs Eis gehen zu dürfen, aber ein wenig Abstand einmal im Jahr ist oft besser als sich nur zu fokussieren.

Auch bei unserer Stubenzuteilung haben wir beide Glück gehabt. Während Daniel sich die Stube nur mit einem weiteren Kameraden teilen muss, hat Carolina eine große 6er-Stube zugeteilt bekommen. Hier hat sie anfangs auch zu sechst gewohnt, nachdem jedoch der erste Zug abgereist war, wohnt sie hier nur noch zu zweit mit einer Eishockeyspielerin. Daniel wohnt zusammen mit Sinan Akdağ, einem Eishockeyspieler von den Krefelder Pinguinen. Beide kommen gut miteinander klar, und nachdem Daniel ein paar blöde Fehler am Anfang gemacht hat und lernen musste, was es heißt, einen Befehl zu bekommen, ist er nun Stubenchef geworden.

In den nächsten 4 Wochen hat Daniel nun genügend Zeit zu lernen, langsam und ordentlich zu sprechen und nicht mehr so viel rumzuzappeln und ordentliche Meldungen abzugeben. Hierzu sei erwähnt, dass Daniels Helm laut Eigenmeldung "unwiderruflich zerstört" worden ist und er "höflichst um Wiederbeschaffung bittet". Zwei Ausdrucksweisen, die in den Bundeswehrsprachgebrauch nicht hineinpassen. Jenes war auch einer der Gründe, warum nun Frau Hauptgefreite Hermann (Carolina hat den höchsten Dienstrang im Zug, während Daniel nur den zweithöchsten Dienstrang im Zug als "Obergefreiter" hat) grundsätzlich alleine das Kommando über den Zug zugeteilt bekommt hat, wenn dieser in Eigenverantwortung Dinge übernehmen darf. Dass sich hier gewisse aufgestaute geschwisterliche Differenzen von früher wieder aufleben lassen, versteht sich wahrscheinlich von selbst. Damit das auch gleich klargestellt wurde, hat Carolina Daniel bei einem ersten alleinigen Müllentsorgungsbefugnis noch schnell den Schmierkäse auspacken und in Käse und Alufolie trennen lassen (Mülltrennung wird bei der Bundeswehr und HG Hermann großgeschrieben). In einer anderen Situation musste Frau Hauptgefreite den Spindaufbau des Obergefreiten Hermann auf Fehler untersuchen. Statt nur auf einen falsch herumliegenden Helm aufmerksam zu machen, wurde sogleich die wahrscheinlich penibelste und gründlichste Spindkontrolle der gesamten Grundausbildung bei OG Hermann durchgeführt.

Allerdings hat auch Carolina mit einigen Problemen zu kämpfen. Seitdem der eine Teil des Zuges abgereist ist, gibt es nur noch 5 weibliche Soldaten (Soldatinnen gibt es nicht) und ca. 500 männliche Soldaten in der gesamten Kaserne. HG Hermann ist die wahrscheinlich bekannteste der 5 weiblichen Soldaten und neben Handynummern an der Windschutzscheibe (wir gehen jetzt mal davon aus, dass "Tom" Carolina und nicht Daniel meinte) und vielen, sehr vielen Blicken ist sie sehr bemüht, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Einer unserer Vorgesetzten umschrieb die Situation folgendermaßen: "Es tut mir ja Leid, HG Hermann, aber ich kann Sie demnächst nur noch in Sturmmaske zum Essen schicken." Dass dieses jedoch auch seine Vorteile hat, ist logisch. An der Wache braucht Carolina ihren Ausweis fast nie vorzuzeigen und auch Daniel bekommt schnell eine Sonderbehandlung, wenn er erwähnt, dass die Frau HG seine Schwester ist.

Wirklich positiv überrascht sind wir beide vom Essen. Wir beide sind nicht nur dadurch, dass wir Vegetarier sind, etwas anspruchsvoller bei der Essensauswahl. Zusätzlich ernährt sich Carolina gerne von Salat, während Daniel lieber kohlenhydratreiches Essen bevorzugt. Dennoch gibt es für uns beide beinahe immer ein Gericht, welches unseren Vorstellungen entspricht.

In vier Wochen haben wir beide die Grundausbildung dann überstanden und werden wieder nach Lyon gehen, um uns voll und ganz auf die neue Saison einzustellen. Gestern haben wir einen Brief bekommen, dass wir in den B-Kader berufen worden sind, worüber wir uns sehr freuen. Zusätzlich wurden uns unsere Plätze in der Bundeswehr um ein weiteres Jahr verlängert.

Viele Grüße,

Carolina und Daniel

P.S. Gerne hätten wir im Journal auch ein paar Fotos gezeigt, jedoch ist es uns verboten, unangemeldet Fotos in der Kaserne zu machen. :(

P.S. Anbei noch ein paar Links über die Bundeswehr und die Sportfördergruppe
Bundeswehr.de: Spitzensport
Bundeswehr.de: Sportfördergruppe
Sportfördergruppe der Bundeswehr (Wikipedia)

 

 




 

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